anti3anti schreibt im Blog numeri 24:9 unter dem Titel „Keine Demokratie ohne Nationalstaat“ unter Bezug auf Hannah Arendt „Nationalstaat und Demokratie“ von 1963 folgenden Beitrag : https://numeri249.wordpress.com/
Das folgende Zitat soll verstanden werden als eine Ergänzung des Beitrags in Numeri 24:9. unter dem Titel „Keine Demokratie ohne Nationalstaat“ vom Februar 7.2018 und fordert zu einer Diskussion:
„Die Nationalkultur
Das «Volk Gottes››, die «heiligendmachende Gnade» und die <<Nationalkultur››
Das Konzept der <<Nationalkultur›› hat im Vergleich zu seiner Konnotation (oder Definition) eine relativ klare und deutliche Denotation.
Das Denotat von <<Nationalkultur›› wird durch die Kulturen der Nationen konstituiert, die wir <<kanonisch›› nennen, so wie Spanien, England oder Frankreich. Montandon schuf das Konzept Ethnie – der später vorzugsweise auf regionaler Ebene oder im ethnographischen Sinn, mit Referenz auf die kolonialen Territorien angewendet wurde -, eben indem er die französische Nation oder <<Ethnie›› zum Modell nahm; ihre Funktion als Kanon stammt also von den europäischen Nationen
der Neuzeit ab. Auf der anderen Seite kann das Denotat eine quasi-deskriptive Reichweite haben. Die Schwierigkeiten beginnen, wenn man versucht, die Struktur und die Bedeutung dieser Nationalkulturen zu definieren; denn diese Definitionen setzen nicht nur die Existenz von <<Kulturen›› genannten Entitäten voraus, als gegenseitig voneinander abgrenzte (im Grenzfall, megarische) Einheiten, sondern sie postulieren auch, dass diese Einheiten sich mit den Nationen überlagern. Das heißt, dass die genuinen Kulturen eben genau die Nationalkulturen sind, als Ausdrucksformen des Geistes jedes ihrer Völker.
Und dies ist eine bloße, metaphysische Ideologie. Denn die Nation als politische Einheit ist ein neuzeitliches Konzept (in anderer Terminologie: «zur Neuesten Geschichte, l8. und 19. Jahrhundert, gehörig››). Im Mittelalter und noch [zu Beginn der] Neuzeit hatte <<Nation››eher die Funktionen eines anthropologischen Begriffs inne als die eines politischen. (Nation stand für <<Leute››“, sogar für <<Ethnie›› oder allgemein für eine in einem Gebiet Verwurzelte Gemeinschaft, deren
Mitglieder in mehr oder weniger fernen Verwandtschaftsbeziehungen zueinander standen.) Das mittelalterliche oder neuzeitliche Homologon zu dem [heutigen] Begriff der Nation mit politischer Bedeutung ist das Konzept des <<Volkes››, als Materie der politischen Gesellschaft, des
Staates. Aber Staat impliziert eben das Zusammenfließen [Konfluenz] [Im Original steht hier <<gente›› von lat. <<gens, gentís››.]von zwei oder mehren Nationen (bzw. <<Leuten››, Stämmen oder Ethnien, im ethnographischen Sinn), deren Konflikte eben durch den Staat ihr dynamisches Gleichgewicht (die eutaxía) finden. Ein Gleichgewicht, das der Staat, um es in der Formel von Max Weber zu sagen, mittels des Gewaltmonopols erlangt (das manchmal die Gewalt einer Ethnie
über die anderen ist, auch wenn in «Einverständnis›› oder Pakt – dadurch aber nicht weniger ungerecht – der unterworfenen Ethnien).
Bei einem gegebenen plurinationalen Staat, wie beispielsweise dem römischen Reich, versteht sich, dass in seinem Gebiet ein minimaler Prozess der Homogenisierung der ihn zusammensetzenden Völker stattfinden musste, was die Sprache, den Kult gegenüber dem Kaiser, die
Bräuche usw. anbetrifft.
Die Homogenisierung findet ihre niedrigste Stufe in den schriftlosen, analphabetischen Gesellschaften, in denen die Schrift das Gut von sehr reduzierten Gruppen ist.“ Der ausgereifte Staat zerteilte sich weitestgehend durch die Handlung der eindringenden Völker. Man könnte eine «Neudarstellung›› des Staats- oder Reichsverfassungsvorganges durchführen, indem man von dem Ansatz der konfliktreichen Konfluenz zu verschiedenen Nationen oder Ethnien ausgeht, wie dies
bei den <<Nachfolgereichen›› des römischen Reiches im Mittelalter der Fall war.
Es ist aber gleichzeitig wahr, dass sich durch Überschreitungen der Trennlinien zwischen verschiedenen Reichen oder Staaten (teilweise dank des juristischen, verwaltungstechnischen usw. Erbes der Antike) künstlerische, religiöse und politische Formen entwickelt haben, deren
überstaatlicher oder zwischenstaatlicher Charakter eben mit der Kirche verbunden war: das Latein als gemeinsame Sprache der Wissenschaft, der Philosophie und der scholastischen Theologie, die Architektur und die romanische oder gotische Skulptur, das höfische und kirchliche Zeremoniell, die gregorianischen Gesänge und die Orgel usw. Es wäre hier noch nicht möglich, von «nationalen Kulturen» zu sprechen- und das abgesehen davon, dass die Architektur (aber nicht beispiels-
weise die Musik) in einem Reich mehr blühte als in einem anderen, in welchem vielleicht die Malerei oder das Recht zur Blüte kam.“
Zitat aus „Der Mythos der Kultur“ – Peter Lang Verlag – von Gustavo Bueno (übersetzt durch Frau Nicole Holzenthal)
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